Seyda, Szenen zur Heimatgeschichte 1 Kunckel

 

Alchimist in der Heide

Die Geschichte der Glasmacherei in Glücksburg begann im Jahre 1677. Nach einer Eintragung im Mügelner Kirchenbuch hatte Johann Friedrich Kunckel dort eine Experimentierwerkstatt. Er stammte aus Rendsburg, aus dem Herzogtum Hannover, und gehörte zu den herausragendsten Alchimisten seiner Zeit. Durch die Umwandlung unedler Metalle in Gold sollte der die sächsische Staatskasse füllen. Dabei machte er Entdeckungen auf dem Gebiet der Glastechnologie, die bis heute genutzt werden. „Außerdem hat der den Stein der Weisen gesucht, eine Tinktur, die das Leben verlängern sollte; und er hat dabei den Phosphor entdeckt. Kunkel war zunächst in der Zeit von 1669 bis 1673 auf der Annaburg tätig. Auch hier bestand seine Hauptaufgabe darin, Gold zu produzieren. Er erhielt für die damalige Zeit ein außerordentlich hohes Gehalt von 1000 Talern, nebst Vergütung für alle Materialien, Instrumente, Gläser und Kohlen. 1677 setzte er seine Tätigkeit auf der Glücksburg fort. Dicht bei der Glücksburg legte er eine Glasfabrik an. Hier wurden Tafel- und Hohlglas (Flaschen und Fensterscheiben) hergestellt, die von besonderer Güte waren. Kunkel war nun hier mehrere Jahre tätig, aber da man ihm sein Gehalt nicht mehr auszahlte, beschwerte er sich. Daraufhin erhielt er folgenden Bescheid: „Kann Kunkel Gold machen, so bedarf er kein Geld; kann er solches aber nicht, warum sollte man ihm Gold geben?“ 1679 verfasste er hier eine Schrift über die Vervollkommung der Glasmacherkunst. Weitere Aufzeichnungen im Archiv sprechen von dem „Kunkel´schen Bleiglas für die sächsische Königstafel“ . Johann Georg II. wollte jedoch Gold, und da dies ausblieb, drohte er Kunkel „ein finsteres Loch auf dem Königsstein“ an. Das mag die Ursache dafür gewesen sein, dass Kunkel aus Furcht vor der Verwirklichung dieser Androhung die Glücksburg bei Nacht und Nebel verließ, zum nahem Kurfürstentum Brandenburg überwechselte und vom Kurfürsten von Brandenburg mit offenen Armen aufgenommen wurde. Dieser Kurfürst erkannte die Geldquelle „Glas“. Kunkel erhielt ein Jahresgehalt von 500 Talern. In der Nähe von Potsdam nahm er eine Glashütte in Pacht und erfand hier das Rubinglas, das zu schönen Pokalen verarbeitet wurde.

Unter Friedrich III. von Brandenburg fiel Kunkel jedoch dann in Ungnade, desertierte nach Schweden, wurde dort königlicher Bergrat und zugleich in den Adelsstand erhoben. Fortan führte er den Namen „Kunkel von Löwenstein“. Berühmt geworden, verstarb er 1703.“

(Papiere zur Glücksburg aus dem Schloss Moritzburg, dabei steht: „So isst dies aus den Akten des Staatsarchivs Weimer zu entnehmen, eingesehen von A. Freidank/Mügeln. Vermutungen nach könnte das Rubinglas auch in Glücksburg erfunden worden sein, da man bei Grabungen schon dicht an der Oberfläche nicht nur grüne und weiße Scherben, sondern auch braune und rötliche Glasscherben gefunden hat.“ – Nach Illing, Gerhard: Zur Glücksburg (unveröffentlichtes Manuskript), 1987, was bei Elstermann aaO 16 verwendet wird, heißt er „Kunckel von Löwenstjern“.).

 

Seyda, Szenen zur Heimatgeschichte 1 Fläming

 

Eine große Idee! Wir sehen: Albrecht, den Bären (mit Krone). Und: Bischof Wichmann (mit Bischofshut). So um 1150 herum.

Albrecht, der Bär: Also, Bruder Bischof, ist ja ganz schön leer hier bei uns. Nirgends eine Menschenseele. Früher war hier mal richtig viel los.

Bischof: Ist ja kein Wunder! Als die Wenden hier alleine waren, ging´s ja wohl noch. Aber dann, als die Unsrigen über die Elbe kamen! Das war ein Hauen und Stechen. Wäre doch eigentlich genug Platz für alle gewesen. Aber nein. Jeder wollte alles haben.

Albrecht, der Bär: Und nun ist eben kaum noch einer da. Was machen wir bloß? Ich wünsche mir so lebendige Dörfer und bebaute Felder, und ein bisschen Raum zwischen dem vielen Wald hier, und vernünftige Straßen! Ein paar Leute, für die es sich lohnt, König zu sein.

Bischof Wichmann: Ich hätte da so eine Idee.

Albrecht der Bär: So? Wo wollen Hochwürden denn so schnell Leute hierher bringen?

Bischof Wichmann: Es ist doch ein herrliches Land. Und ich habe Kontakte über die ganze Welt. Da, am großen Wasser, wo die Flamen wohnen, da gibt es schon viele Leute.

Albrecht der Bär: Schön weit weg im Westen. Und: was hilft uns das?

Bischof Wichmann: Denen geht es gar nicht so gut, hat mir mein Kollege gesagt. Da kommen immer die Sturmfluten und zerstören die Ernten und nehmen das Vieh. Es ist ein schweres Leben dort. Wir könnten denen doch anbieten, herzukommen.

Albrecht der Bär: So weit?

Bischof Wichmann: Man müsste es ihnen richtig schmackhaft machen. Ein paar Leute hinschicken und sie werben. Mit den Wagen vorfahren. Und sagen, dass es hier ein herrliches Land ist, wo Milch und Honig fließt, wenn sie Kühe und Bienen mitbringen.

Albrecht der Bär: Klasse Idee! Dann bin ich endlich wieder König über viele Leute!

Bischof Wichmann: Ja. Mal langsam. Ein wenig Freiheit müsste man ihnen auch einräumen. Dass sie erst mal keine Abgaben leisten brauchen.

Albrecht der Bär: Keine Abgaben?

Bischof Wichmann: Dass sie sich das Leben einrichten können, wie sie wollen.

Albrecht der Bär: Noch was? Da haben wir ja lauter Könige hier!

Bischof Wichmann: Was ist: Wollen wir hier blühende Landschaften haben oder nicht?

Albrecht der Bär: Lasst es uns versuchen!

 

Seyda, Szenen zur Heimatgeschichte 3 Kolonie

 

Emma, was ist denn heute hier los?

So viele Landstreicher auf der Straße! Das war ja noch nie da!

Es wird eben alles immer schlimmer!

Mach bloß das Hoftor zu!

 

Was das werden soll!

Und, stell Dir vor: Die sollen hier auch noch alle wohnen!

 

Was, bei uns in Seyda!

Diese Leute?

Was soll denn da werden – aus unseren Apfelbäumen!

Da braucht man ja gar nichts mehr im Garten hinpflanzen.

Und die Kinder, die Jugend!

 

Ja, ja!

Die sollen jetzt alle hier wohnen!

 

Na, schlimm sind sie ja dran. Von meinen Bekannten habe ich gehört, denen muss es auch so gehen. Erst sind sie in die Stadt gegangen, gutes Geld in der Fabrik – und nun, jetzt ist die Fabrik zu, und sie sitzen auf der Straße. Keiner gibt ihnen was.

 

Da ist schon gut, dass es so einen Mann wie den Herrn von Diest gibt, der das anpackt und denen ein Haus gibt und Arbeit.

 

Arbeit? Was wird das werden? Die Wiesen sollen sie trockenlegen. Ob die das schaffen?

Und warum muss das gerade alles bei uns sein?

Können die nicht irgendwo anders hingehen?

 

Wo sollen sie denn sonst hingehen! Es gibt ja nichts.

Der Pfarrer hat gesagt, es ist doch großartig, dass so ein Liebeswerk gerade bei uns anfängt.

Jesus hat gesagt, das soll man machen.

 

Na, mal sehen, was daraus wird.

 

 

Seyda, Szenen zur Heimatgeschichte 3 Kolonie

 

 

Ein großes Liebeswerk

Das stelle man sich heute einmal vor: Da kommen plötzlich Hunderte von Obdachlosen nach Seyda, um hier zu wohnen und zu bleiben! Wer würde da nicht Sorge um seine Äpfel im Garten, um sein Haus und Hof, um seine Kinder haben? Und doch ist es so geschehen, im Jahre 1883. Nach dem Vorbild der Arbeiterkolonie von Pastor Bodelschwingh in Bethel wurde auch in Seyda ein Jahr später eine solche Arbeiterkolonie für die „Brüder von der Landstraße“ errichtet. Die Initiative dazu hatte der Regierungsrat Gustav von Diest übernommen, ein Verwandter Bodelschwinghs.  Brotlosen Landarbeitern, die zur Zeit des „Gründerkrachs“ die Landstraßen überschwemmten, weil sie – wegen fehlender sozialer Absicherung und sozialer Entwurzelung – weder Haus noch Hof und auch keine Arbeit hatten, sollten ein Dach über dem Kopf und Arbeit bekommen. Der Mut und die Tatkraft für solch großes Liebeswerk erwuchsen aus dem christlichen Glauben. „Was Ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt Ihr mir getan.“ sagt Jesus Christus (Matthäusevangelium Kapitel 25). Davon sprechen auch die Dokumente jener Zeit; etwa, wenn Gustav von Diest in seiner Rede zur Eröffnung der Arbeiterkolonie bekennt, er wisse nicht, wie die Finanzierung in den nächsten Monaten vonstatten gehen könne, aber im Vertrauen auf den Herrn Jesus Christus sei das Werk begonnen worden, und dieser würde gewiss auch weiter helfen.

 

Nach einem damals modernen Verfahren wurden Teile der Heide durch Ziehen von Gräben trockengelegt. Sie waren bis dahin nur im Winter, bei Frost, begehbar und damit nutzbar gewesen. Nun gewann man wertvolles Wiesen- und Ackerland. Es wurde landwirtschaftlich genutzt und auch verkauft, und mit diesen Einnahmequellen konnten die „Kolonisten“ versorgt und auch mit einem kleinen Taschengeld versehen werden, wenn sie dann nach einigen Monaten die Arbeiterkolonie wieder verließen.