Kleine

Geschichte

von

Schadewalde.

 

Herrn Erich Hecht zum 75. Geburtstag.

 

 

 

 

 

In alter Zeit war unser Gebiet von Sümpfen und Wäldern bedeckt. Ein kleiner Berg war ein günstiger Ort, um an einer trockenen Stelle eine Burg zu errichten: Das war die Burg Sydow, die schon in slawischer Zeit auf dem Gebiet der oberen „Bergstraße“ in Seyda entstand.

Auf dieser Burg hatte später, zur Zeit der Eroberung durch die sächsischen Kaiser, ein Burgward seinen Sitz, zu dessen Besatzung einige Ritter und auch ein Priester gehörte. Der Burgwardsbezirk umfaßte etwa ein Dutzend kleinere Ansiedlungen in der Umgebung, darunter Schadewalde, was im Jahre 1385 erstmals erwähnt wurde. Ein findiger Heimatforscher hat aus dem Ortsnamen sogar geschlossen, daß an der Stelle des Ortes eine „Warte“, also ein Wachtturm für die Burg gestanden haben soll, denn das slawische Wort „czata“ bedeutet „Warte“.

(vgl. „Heimatbote“, Beilage zum Schweinitzer Kreisblatt, vom 25.1.1927)

 

Doch bleiben diese Deutungen ungewiß. „Schade um den schönen Wald“, so erklärten die Lehrer vor etwa hundert Jahren den Ortsnamen Schadewalde. Im Kirchenbuch kann man finden, daß eine Familie Schade lange Zeit zahlreich in Schadewalde wohnte, so legt sich die Vermutung nahe, daß diese Familie einmal dort den Wald gerodet hat: Der Wald der Familie Schade, Schadewalde.

 

 

 

Oft wechselten die Herrschaften auf der Burg Sydow, ja, sogar Raubritter waren hier zuhause, so der berüchtigte Dietrich von Quitzow, dessen Name in der ganzen Mark Brandenburg gefürchtet war. Er schätzte die sichere Burganlage, die durch zwei Burgwälle und eine Zugbrücke gesichert war, und brachte hier seine Familie unter. Die Besitzer der Burg hatten oft Geldsorgen. Deshalb wurde im Jahre 1436 das ganze Dorf Schadewalde von der damaligen Herrschaft, den Schenken von Landsberg, an die Stadt Wittenberg verkauft.

(Juni 1927 Heimatgrüße)

 

Im Jahre 1501 wurde Seyda und das Umland von dem sächsischen Kurfürsten Friedrich dem Weisen erworben. Er zahlte 20.000 Meißner Gulden für Burg, Stadt und 15 dazugehörige Ortschaften. Das neuerrichtete Amt Seyda sollte mit seiner Wirtschaftskraft die Witwen der kurfürstlichen Familie auf der Lichtenburg in Prettin ernähren.

 

Martin Luther kam auf einer Kirchenvisitation im Jahre 1528 durch Seyda um zu sehen, was die Reformation für Früchte getragen habe. Er ordnete auch hier die kirchlichen Verhältnisse neu: Schadewalde, was bis dahin von Wittenberg kirchlich versorgt wurde, kam durch seinen Rat zu Seyda, im Austausch mit Labetz, was bis dahin zu Seyda gehörte.

 

Über die alte Zeit berichten auch die Namen alter Feldfluren: so liegen bei Schadewalde die sogenannten „Bärstücken“, die, wie die Bezeichnung „Wolfswinkel“ an die großen Raubtiere erinnern, die es hier einmal gab. Alle Bauern waren verpflichtet, die Herrschaften bei der Jagd danach zu unterstützen.

(Aus dem Schweinitzer Kreisblatt vom 1. 12. 1912)

 

Heimatgeschichtlich interessant sind auch die „Schwedenschanzen“ bei Schadewalde, über deren Ursprung es verschiedene Deutungen gibt:

„Die Schwedenschanzen bei Schadewalde“

Aus dem Schweinitzer Kreisblatt vom 1. Dezember 1912

Sie befindet sich in der Nähe des Kreuzungspunktes der Wege von Gadegast nach Leetza und von Schadewalde nach Zallmsdorf.  In der Nähe befindet sich die Dorfmark Grube, die nachweislich schon vor dem Dreißigjährigen Kriege als wüst bezeichnet wird. Dieses Dorf lag demnach an dem Fuße des Grubenberges, während auf der andern Seite sich Moor und Sumpf ausdehnten. Verfolgt man den Weg in der Richtung auf Schadewalde, so trifft man nach kurzer Zeit an der Stelle, wo Moor und Sumpf aufhören, verschiedene Hügel von nur geringer Höhe, die man zusammen die Schwedenschanzen nennt. Ein Heimatforscher schreibt darüber: „Es liegt die Vermutung nahe, daß im dreißigjährigen Kriege irgend ein schwedischer Feldherr hier längere Zeit mit seinem Heere lagerte, und um es vor plötzlichen feindlichen Überfällen zu schützen, so sicher wie möglich anlegte. Die ganze Örtlichkeit ist dementsprechend günstig gewählt. Nach Norden und Westen war das Lager vom Sumpfe geschützt. Im Süden sind noch zwei künstlich ausgeworfene Gräben sehr gut erhalten, während im Osten die Hügel am höchsten sind und somit genug Sicherheit gewährten. Besonders hatten natürlich die anliegenden Dörfer: Schadewalde, Gadegast, Zemnick und Leetza unter den Plünderungen zu leiden.

Noch ist es bis jetzt nicht gelungen, in Urkunden und anderen Schriftstücken Andeutungen über jenes Schwedenlager zu finden, für die Richtigkeit der Annahme sprechen jedoch auch andere Schwedenschanzen, so bei Bernburg, dicht an der Saale auf den Dröberwiesen und die Schwedenschanzen zwischen den Dörfern Paupitzsch und Benndorf in der Nähe von Delitzsch, von wo aus die Stadt Delitzsch von den Schweden beschossen worden sein soll.“

Ein anderer Heimatforscher sieht es so:

„Es ist aber wohl kaum anzunehmen, daß die schwedischen Krieghorden sich abgemüht haben, hier inmitten von Sumpf Hügel aufzuwerfen und Gräben anzulegen.

Diese sogenannten Schwedenschanzen sind in der Mehrzahl vorgeschichtliche Ringwälle, alte Wendenbefestigeungen, die nach ihrer Zerstörung bei der Wiedereindeutschung unserer Landschaft von den Deutschen befestigt wurden und als Signalstation dienten, um wendische Einfälle und Raubzüge den nächsten Burgwarden zu melden.

Betrachten wir uns die Lage dieser Schwedenschanzen näher, so sehen wir, daß sie im Norden und Westen von Sumpf umgeben, mithin von hier unangreifbar sind, im Osten fallen die Hügel etwas steiler ab. Besonders gut aber ist die künstliche Anlage nach Süden hin zu beobachten. Zwar breite, vormals auch sicher tiefe Doppelgräben sind ausgeworfen, die Erde wieder zu einem Wall erhöht, der wahrscheinlich noch zu Holzpallisaden verstärkt worden ist. Es wäre zu viel gesagt, die Bedeutung einer solchen kleineren Anlage mit geringer Besatzung genau zu bestimmen, zwischen welchen Burgen sie als Verbindung gedient hat. Viel hat die Annahme für sich, daß es eine Signalstation zwischen der Burg zu Zahna und der zu Seyda (Sydow) gewesen ist, deren Name mit dem Verfall verschwunden ist. Vielleicht hat er im Zusammenhange gestanden mit der jetzigen Flurbezeichnungen „die Grube“ (Befestigung „in der Grube“).

Als das Land zur Ruhe gekommen war und die Wenden vollständig unterworfen, teilweise auch von der deutschen Bevölkerung aufgesogen worden waren, wurden natürlich diese kleineren Befestigungen, die bei der Verteidigung nur minderwertige Bedeutung hatten, von der Besatzung verlassen, so daß sie unbewohnt liegen blieben. Nur lichtscheues Gesindel nistete sich wieder in Kriegszeiten ein und machte die Umgegend unsicher. Die furchtsame Bevölkerung, die in der Schreckenszeit des Dreißigjährigen Krieges, besonders in und nach dem unheilvollen Jahre 1637 unsäglich unter den Schwedenplünderungen zu leiden hatte, brachte alle entlegenen Orte, die etwas Unheimliches an sich hatten, mit den Schweden in Verbindung, und so bekam die alte Befestigungsanlage am Abhange des Grubenberges den Namen Schwedenschanzen.“ (Dr. Hey: Siedlungen in Anhalt)

 

Sicher ist, daß die Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges auch an Schadewalde nicht vorbeigegangen ist. Noch im Jahre 1671, fast 40 Jahre nach den schlimmsten Jahren dieses Krieges in unserer Region, lagen in Schadewalde von 8 Gütern noch 5 wüst. In diesen und auch in anderen Kriegen und bei Überfällen flüchtete sich die Bevölkerung von Schadewalde und den umliegenden Dörfern in die „Nachthainigte“, das Sumpfgebiet zwischen Schadewalde und Gadegast, was für Auswärtige undurchdringlich war. Dies war zuletzt im Befreiungskrieg gegen Napoleon im September 1813 so, wo ganz in der Nähe das Treffen bei Gadegast stattfand, in dem mehrere tausend Soldaten gekämpft haben. Jedoch gab es trotzdem Opfer unter der Zivilbevölkerung, weil das Wasser in dem Sumpf schlecht war: Etwa 10% der Einwohner starben in der Folge an Krankheiten, von denen einige auch durch die durchziehenden Soldaten eingeschleppt waren.

Nach dieser Schlacht wird berichtet, daß in Schadewalde ein Soldatenlager eingerichtet wurde. Die Kämpfe zogen sich lange hin, Wittenberg wurde erst im Januar des folgenden Jahres eingenommen: man kann kaum ermessen, was die Einquartierungen von etwas 7.000 Soldaten in Seyda und den umliegenden Orten für Folgen gehabt haben.

 

Schadewalde hatte nie eine eigene Kirche oder ein eigenes Amt, so daß die Geschicke des Dorfes immer eng mit dem Städtchen Seyda verbunden waren. 1924 zählte man 96 Einwohner, 1940 88 Einwohner, heute sind es 60.

Das Kirchenbuch in Seyda kann viel über Freud und Leid der Schadewalder berichten. In dem Ort wohnten in der Mehrzahl Hüfner, also Landwirte, die etliche Hufen Land bewirtschafteten. Man unterschied „Lehnhüfner“ sowie „Kossäthen“ und „Häusler“, die weniger besaßen und sich bei den reicheren Bauern verdingen mußten. Etliche Müller sind verzeichnet, so die Familien Bäck, Schinkel, Höhne, Thaeter. Um das Jahr 1800 wird in Schadewalde auch ein „Kinderlehrer“ erwähnt, der, wie üblich, im Nebenberuf Schneider war. Im 19. Jahrhundert wird ein Ortsrichter Lorenz genannt, im 18. Jahrhundert lesen wir von Landschulzen und Gerichtsschöppen aus Schadewalde. Viele Hirten, „Huthmänner“, wohl für Schafe und besonders auch Pferde, werden genannt, vereinzelt  Handwerker wie ein Schuhmacher und Tischler bzw. Zimmerer.

 

Schlimme und aufregende Dinge sind aus den letzten Kriegstagen zu berichten: Am 19. April 1945 gab es in Schadewalde einen Flugzeugabsturz bei Heinrichs (jetzt Schülers), ein 42 Jahre alter Mann, Herr Richard Heinrich, wurde dabei getötet: Bei Mügeln war ein Flugplatz, wo ein fanatischer Oberstleutnant noch junge Piloten in den Tod schickte. Schon seit Tagen kreisten amerikanische und russische Maschinen über den Dörfern und hatten die Lufthoheit. Die deutsche Maschine stieg auf und wurde sofort abgeschossen. Der Pilot war getroffen. Das Flugzeug striff das Wohnhaus mit einem Flügel und brach in die Scheune ein. Die Kuh konnte sich mit dem Pflug retten, der Bauer war tot. Noch nach 50 Jahren fand Herr Schüler Wrackteile mit Munition in seinem Garten, in den sich das Flugzeug gebohrt hatte.

Zur Beerdigung am 21. April kam die Trauergemeinde nur bis an den Ortsausgang Schadewalde mit, weil die feindlichen Flieger sehr oft kamen. Zu zweit wurde Herr Richard Heinrich beerdigt. Am 22. April waren die Russen in Schadewalde.

 

 

 

 

Zum Kriegsende ging auch ein Todesmarsch aus dem KZ-Lager Lichtenburg an Schadewalde vorbei. Der Zug von einigen hundert ausgehungerten Strafgefangenen führte von Meltendorf in Richtung Leetza. Wer nicht mehr konnte, wurde erschossen. Bei Schadewalde stellte sich einer von ihnen tot: Dr. Weidauer. Er war im Konzentrationslager, weil er Jude war. Eine Familie in Schadewalde versteckte ihn. Später war er ein bekannter Arzt in Seyda.

 

Im Krieg ist unweit von Schadewalde, auf dem Feld in westlicher Richtung, eine Bombe eingeschlagen und hinterließ einen großen Krater. Am 21. Mai 1944 wurde Carl Richard Lindemann „von feindlichem Flugzeug auf Schadewalder Flur“ erschossen, 52 Jahre alt.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich auch in Schadewalde viel verändert. Die großen Bauernwirtschaften wurden aufgelöst und traten in die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft ein. Das war ein schmerzhafter Prozeß, bedeutete er doch den Abschied von jahrhundertealten Wirtschafts- und Eigentumsformen.

Die Zufahrtswege nach Schadewalde wurden in den sechziger Jahren unter Leitung von Herrn Max Gaebler, der damals Bürgermeister für Schadewalde war, befestigt, so, wie sie heute noch sind.

 

 

Im Haus der Familie Scholz befand sich schon vor dem Krieg die Gastwirtschaft. Das Gebäude brannte nach dem Krieg ab und mußte neu gebaut werden. Später war dort der Konsum (ein Laden für Waren des täglichen Bedarfs) und die Post.

 

In den siebziger Jahren wurde unweit von Schadewalde einmal nach Bodenschätzen wie Erdgas geforscht. Das war damals eine geheime Sache, und es existiert wohl nur ein Foto von dem Bohrturm. Das Projekt wurde wieder aufgegeben, sicher war die Ausbeute nicht erheblich. In den neunziger Jahren waren die Kiesvorkommen um Schadewalde einmal im Gespräch.

 

Bekannt ist Schadewalde heute auch durch die Bauschlosserei Bernhardt, durch den Auto-Gebrauchtwarenhandel der Familie Grießig im Mittelbusch und den Baubetrieb Sommer, der 1996/97 sein Wohn- und Geschäftshaus in Schadewalde baute. Die Bauernstube, die die Einwohner in Eigenleistung ausbauten, ist heute ein beliebter Treffpunkt in Schadewalde.

 

 

 

 

 

 

 

 

Worte, die über alle Generationen die Bewohner in Schadewalde gekannt haben, von der Rodung des Waldes und der Gründung des Dorfes an bis heute, die sie getröstet und aufgerichtet haben, die viele auswendig konnten und sie im Herzen hatten und haben, sind auch die aus dem Psalm 23:

 

Der Herr ist mein Hirte.

Mir wird nichts mangeln.

Er weidet mich auf einer grünen Aue

und führet mich zum frischen Wasser.

Er erquicket meine Seele.

Er führet mich auf rechter Straße,

um seines Namens willen.

Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal

fürchte ich kein Unglück,

denn Du bist bei mir:
Dein Stecken und Stab trösten mich.

Du bereitest vor mir einen Tisch

im Angesicht meiner Feinde.

Du salbst mein Haupt mit Öl

und schenkst mir voll ein.

Gutes und Barmherzigkeit

werden mir folgen mein Leben lang,

und ich werde bleiben im Hause des Herrn

immerdar.

Amen.

 

 

 

Erste Erwähnung von Schadewalde, aufbewahrt im Thüringer Hauptstaatsarchiv in Weimar