Luther in Seyda

Von Pfarrer Thomas Meinhof 2009.

Am 13. November 1528, „Freitag nach Martini“, soll Martin Luther anlässlich der ersten evangelischen Kirchenvisitation in Seyda gewesen sein – so steht es in einem „Tagebuch“, in dem das Leben Luthers Tag für Tag aufgeschrieben worden ist (Buchwald).

Zehn Jahre nach der Reformation wollte er schauen, was in den Gemeinden des Kurkreises davon angekommen war, und er machte gemeinsam mit der Visitationskommission, die aus Beschäftigten der Universität sowie des Kurfürsten bestand, zum Teil schwierige Erfahrungen. Manchmal konnte nicht einmal der Pfarrer das Vater Unser.

Die Visitatoren ließen sich zunächst genau über die Verhältnisse unterrichten, bevor sie ihre Ratschläge gaben. Für Seyda wurde verfügt, eine Schule und ein Hospital zu bauen. Ein „Gemeiner Kasten“, also eine Kasse für die Allgemeinheit, insbesondere auch für die Armen, sollte eingerichtet werden.

Labetz, kirchlich damals Seyda zugehörig - wurde gegen Schadewalde, was zu Wittenberg gehörte, getauscht. Der Pfarrer von Mellnitz, der aufgrund des kleinen Ortes nicht genug Einkommen hatte, wurde nach Seyda verfügt; in Seyda eine Superintendentur eingerichtet: So hatte Seyda lange Zeit (bis 1919) zwei Pfarrstellen: Einen „Oberpfarrer“ und einen „Diakon“, Kirchplatz 1 und Kirchplatz 2.

Martin Luther hat durchaus in der Predigt in Wittenberg Seyda genannt, als Entfernungsangabe, etwa so: „Stellt Euch vor, liebe Gemeinde, der Mose ist da so weit gezogen wie etwa nach Seyda…“ (WA 25,473,15).

Er hat sich auch um die Besetzung der Pfarrstelle persönlich gekümmert. Sein Freund Bartholomäus Rieseberg war der erste evangelische Pfarrer in Seyda und wirkte hier 1527 bis 1540. Er kam auf Anraten Luthers hierher, nachdem er als reformatorischer Prediger in Hessen kurz zuvor dem Scheiterhaufen entgangen war.

Bis heute ist die Kirche in Seyda eine lutherische Kirche, die Gemeinde eine lutherische Gemeinde mit dem Katechismus (der christlichen Glaubenslehre in der Auslegung) Martin Luthers, den er nach seinem Besuch in Seyda schrieb und der bis heute in jedem Evangelischen Gesangbuch zu finden ist. In der Architektur macht dies insbesondere der Kanzelaltar, der nach dem Brand von 1708 in die Kirche kam, deutlich: In der Mitte stehen Wort und Sakrament: Kanzel, Altar und Taufstein.

Auf dem Kirchplatz wurde anlässlich des 400. Geburtstages von Martin Luther 1883 eine Luthereiche gepflanzt, die noch heute steht.

An der Empore vorn links sind die Wappen von Luther und Melanchthon und Luthers Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ zu sehen bzw. zu lesen.

Dass heute die Geschenke zu Weihnachten gegeben werden und nicht, wie ganz früher, am Nikolaustag: das geht auf Martin Luther zurück. Vielleicht auch der Weihnachtsbaum, das BaFöG für Studenten, das evangelische Pfarrhaus mit Pfarrfrau. Die Dienstkleidung des evangelischen Pfarrers ist der „Lutherrock“: so war Luther als Professor in Wittenberg gekleidet. Diese Ordnung hat allerdings erst ein Preußenkönig 1817 eingeführt.

Besonders wichtig aber ist, dass die Gedanken Luthers in Seyda durch die Zeiten erhalten geblieben sind: Dass wir aus Gottes Gnade leben – und dass das Freiheit schenkt von vielen anderen Heilslehren (wie die vom Geld, mit denen Tetzel zu tun hatte); dass das jeder selbst in der Bibel lesen können soll – deshalb die Bemühung um Bildung und Bibel; dass der Nächste unsere praktische Hilfe braucht; dass wir uns freuen können an den guten Gaben Gottes – und, vielleicht gerade in unseren Tagen wesentlich: dass wir eine Hoffnung haben, die uns – selbst wenn morgen die Welt unterginge – doch heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen lässt.