Die Kirche "St. Peter und Paul" zu Seyda.

Die Grundmauern der Kirche sind über 800 Jahre alt. An der Ostwand kann man von außen noch die alten Feldsteine sehen, mit denen die Kirche einmal erbaut wurde. Eins der ältesten Stücke ist ein gotischer Grabstein, der eine Frau (schon „unter der Haube“) zeigt: er wird jetzt als Türschwelle verwendet vom Vorraum der Kirche in den Kirchenraum hinein.

Martin Luther kam zehn Jahre nach dem Thesenanschlag nach Seyda, um zu schauen, was die Reformation für Früchte getragen hat. Das waren die ersten evangelischen Kirchenvisitationen. Er fand schlimme Zustände vor. Die Leute hatten die "evangelische Freiheit" missverstanden und kümmerten sich nun kaum noch um Kirche und Pfarrer. Die Pfarrer waren schlecht ausgebildet und konnten bisweilen noch nicht einmal das Vater Unser. Die Pfarrfamilien waren am Verhungern, die Kirche am Zerfallen. Martin Luther hat den Menschen durch Predigt und Schriften das Evangelium wieder lieb gemacht. So schrieb er nach der Visitation den Kleinen Katechismus für Haus, Schule und Kirche und den Großen Katechismus für die Pfarrherren. In Seyda wurde eine der ersten Superintendenturen eingerichtet, die bis 1877 Bestand hatte. Er regte auch den Bau einer Schule und eines Hospitals für Seyda an.

Im Jahre 1708 gab es einen verheerenden Stadtbrand. Durch den Schuss eines Jägerburschen entzündete sich ein Strohdach, und das Feuer konnte sich blitzschnell ausbreiten, da die Menschen auf den Feldern bei der Ernte waren. Viele Häuser und die Kirche brannten nieder. In anderen sächsischen Städten wurde eine „Liebessteuer“ und ein „Liebesopfer“ für Seyda erhoben, damit wurde auch die Kirche wieder aufgebaut, 1709 bis 1711. Der typisch lutherische Kanzelaltar (Wort und Sakrament als die wichtigen Heilsmittel der evangelischen Kirche) stammt aus dieser Zeit. Die beiden großen Figuren sind Petrus und Paulus, nach denen die Kirche auch benannt ist. Petrus, der die Botschaft von Jesus weitertragen soll und damit den "Schlüssel zum Himmel" in seiner Hand hat. Paulus, der das Evangelium bis nach Europa brachte, mit dem Bibelbuch. Oben Mose und Johannes, die auf Christus weisen. Mose trägt die Zehn Gebote und den Stab, mit dem er vor dem Pharao die Macht Gottes zeigte, das Volk Israel durchs Schilfmeer leitete und in der Wüste aus dem Felsen Wasser schlug. Mose erkennt man seit dem Mittelalter auch an den zwei Hörnern, ein Übersetzungsfehler ("sein Angesicht war gehörnt" - eigentlich: "sein Angesicht leuchtete"). Er steht für das „Gesetz“, die Ordnungen Gottes. - Johannes hat die Worte Jesu aufgeschrieben: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt!“. Er steht für das Evangelium, dass Gottes Liebe uns trägt. Beide, Mose und Johannes, weisen auf Christus – ganz oben -, der Herr, am Kreuz: das Zentrum unseres Glaubens: "Jesus Christus wurde für uns gekreuzigt und ist auferstanden von den Toten am dritten Tag nach der Schrift".  Wer ihm vertraut, darf in Zeit und Ewigkeit in Gottes Gegenwart und Liebe leben.

In der Mitte des Altars kann man lesen, dass Gottes Wort alle Zeit bleiben wird. Darunter ein Holzrelief: das Mahl, was Jesus mit seinen Freunden in der Nacht, als er verraten wurde, gefeiert hat. In der Mitte Christus, der Herr, an seiner Seite der Lieblingsjünger Johannes, der jüngste (ohne Bart!). Am Tisch sitzt auch Judas, der Verräter, schon zum Gehen gewandt, mit seinem Lohn im Geldbeutel: 30 Silberlinge (ca. ein Monatslohn). Der Tisch ist gedeckt: der Teller ist für das Passalamm, Brot und Wein stehen da. Gedeckt ist auch für den Betrachter des Bildes: Da sind noch Plätze frei: Jesus lädt auch uns an seinen Tisch ein.

Im Jahre 1717 kam die große, dumpfe Glocke auf den Turm (Sie können auch heraufgehen, beachten Sie aber, dass alle Viertelstunde die Glocke schlägt – das ist sehr laut, wenn man neben der Glocke steht.). In der Inschrift wird vom Stadtbrand berichtet und der Zweck der Glocke benannt: "den Freudenton evangelischer Christen ins Künftige zu vermehren". In den Weltkriegen mussten die anderen Glocken abgegeben werden, ebenso die Zinnpfeifen des Orgelprospekts. Zum 500. Reformationsjubiläum konnten wir 2017 eine neue Glocke auf den Turm bringen, mit der Inschrift: „Die Freude am  Herrn ist unsere Stärke.“ (nach Neh 8,10).

Ein großer Taufstein aus dem 19. Jahrhundert wurde in den 50iger Jahren über Nacht entwendet. Jetzt nutzen wir den alten, etwa 500 Jahre alten Taufstein, den Julius Schulze „rettete“, wie es am Sockel zu lesen ist: Er hatte ihn nach Anschaffung des „neuen“ ersteigert und aufbewahrt, so dass er dann der Kirche wieder zur Verfügung gestellt werden konnte. Julius Schulze ist der Begründer der Blechblas-Tradition in Seyda.

Oben links auf der Empore saßen einmal die Amtsleute, der Aufsatz zeigt das sächsisch-polnische Allianzwappen aus der Zeit August des Starken. Ebenso von einer Amtsfamilie ist der Grabstein auf der rechten Empore. „Zehn Jahrfünfte war ich im Amt. Mach mir das mal nach, dann sprechen wir uns.“ – das teilt der Amtsmann auf der Inschrift mit. Das große Ölbild zeigt Johannes Zacharias Hilliger, der allhier viele Jahrzehnte (1725-1770) Superintendent und Pastor war, es wurde 1772 gemalt. In dem aufgeschlagenen Buch kann man in drei Sprachen lesen: „Befiehl dem Herrn deine Weg, und auch, wenn es Dir schlecht geht: Der Herr sieht dich doch!“

Die Orgel wurde von Geißler aus Eilenburg 1883 gebaut, 18 Register, 1171 Pfeifen.  - Ebenfalls im Jahr 1883 gründete ein Verwandter Friedrich von Bodelschwinghs, der Regierungsrat Gustav von Diest, eine Arbeiterkolonie für brotlose Landarbeiter in Seyda. Dieses große Liebeswerk der Diakonie, was vielen hundert Menschen Obdach und Brot brachte, besteht auch heute noch fort: Der Diest-Hof ist jetzt ein Heim für Menschen mit geistiger Behinderung. Es gibt vielfältige gute Kontakte zur Kirchengemeinde.

1896 fand eine große Kirchenrenovierung statt, bei der die Buntglasfenster in die Kirche kamen und ein Sternenhimmel an die Decke gemalt wurde. Frühere Farben der Kirche waren ochsenblutrot, hellblau, hellgrün.  Die weiße Ausmalung geschah mit den Sprüchen an der Empore geschah zuerst 1935, dann 1955 und 1995.

Die Buntglasfenster zeigen Christus als den Guten Hirten, der froh sein wieder gefundenes Schäfchen auf den Schultern nach Hause trägt, und Christus, der an die Herzenstür klopft. Die Tür hat keine Klinke: sie lässt sich nur von innen öffnen: Jesus fällt nicht mit der Tür ins Haus! Nachdem um 1980 die Fenster mutwillig durch Steinwurf zerstört worden waren, wurden die Scherben aufgehoben, 1996 konnten sie wieder eingebaut werden. Das große Nordfenster haben Jugendliche im Rahmen eines Deutsch-Polnischen Jugendaustausches bemalt. - Bemerkenswert ist auch das Fenster über dem Eingang: ein Davidsstern, der die Zeit des Nationalsozialismus überlebt hat. Der Seydaer Pastor Hagendorf wurde sowohl damals als auch nach dem 17. Juni 1953 eingesperrt – er hatte die Streikleitung von Wolfen und Bitterfeld im Pfarrhaus versteckt und ihr erfolgreich zur Flucht verholfen.

Ende der 80-iger Jahre fanden keine Konfirmationen mehr statt. Das hat sich geändert. Zweimal schon im neuen Jahrtausend ist die ganze Klasse zur Konfirmation gegangen. Jeden Sonntag ist Gottesdienst, mit Kindergottesdienst und Gemeindecafé. Nach der Wende von 1990 gab es größere Sanierungsarbeiten, zunächst am Turm, den Pfarrer Podstawa allein mit Frau Gertraude Lenz aus Seyda einrüstete. Eine neue Turmuhr wurde 1993 eingebaut. Mit Jugendlichen aus Seyda und Mainz begann die Innenrenovierung, zunächst mit dem Vorraum (1994), Herr Harald Freiwald aus Seyda, der als Junge eigentlich Kirchenmaler werden wollte, malte mit 60 Jahren Symbole und Spruch neu. 1994 wurden auch stark verrottete Dachbalken ausgewechselt (man konnte schon bis in den Himmel schauen), ein Russlanddeutscher, Herr Christian Biber, verhalf durch seine Improvisationskunst der Decke zu neuem Halten. 1995 wurde unter großer Beteiligung der Bevölkerung die Orgel vor dem Holzwurmfraß gerettet, 2016 – nach 99 Jahren – die Zinnpfeifen wieder eingebaut (1917 mussten sie im Weltkrieg abgegeben werden).

Im Sommer ist die Kirche geöffnet. Neben den Gottesdiensten an Sonn- und Feiertagen ist werktags um 7 Uhr eine Morgenandacht. Auf dem Kirchturm ist eine Ausstellung zur Stadt- und Kirchengeschichte zu sehen.

Vor der Kirche steht die Luthereiche (1883 gepflanzt), vor dem Pfarrhaus eine kaukasische Linde (mit „schiefen“ Blättern) zur Erinnerung an den Befreiungskrieg 1813. Dem CVJM („Christlicher Verein Junger Menschen“) Seyda e.V., 1997 gegründet, gehört das Häuschen neben dem Torbogen.

Besondere Feste im Kirchenjahr sind: das Christfest mit Krippenspiel; der Palmsonntag (am Freitag vorher findet der „Kreuzweg der Jugend“ statt), der Karfreitag und das Osterfest (beginnend mit Osterfeier und Osterfeuer auf dem Diest-Hof), die Konfirmation zu Pfingsten, das Heimatfest mit Konzert und Festgottesdienst, die Kinderkirchenferientage und die jährliche Begegnung mit der Partnergemeinde aus Hessen im Sommer, der Schulanfang, die Jubelkonfirmation am zweiten Sonntag im September, das Erntedankfest, das Martinsfest mit den Kindern aus Schule und Kindertagesstätte, die Friedensdekade mit dem Volkstrauertag, der Ewigkeitssonntag, der Moskauer Männerchor zum 1. Advent. Im Winter trifft sich die Gemeinde im Pfarrhaus zum Gottesdienst.

2012, 2016 und 2020 sind im Umkreis kleine Kapellen entstanden: In Mark Zwuschen, in Listerfehrda am Elberadweg und die „Kapelle zum Guten Hirten“ auf dem Diest-Hof. Wenn Sie mehr erfahren können, geht das auch bei www.seyda.de – dort kann man z.B. 7 Bände zur Seydaer Kirchengeschichte finden.

Petrus war der erste, der zu Pfingsten die Gute Nachricht von Jesus Christus weitergesagt hat. Jesus gab ihm auf den Weg: "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen." Dass dieses Wort gilt, kann man auch an der Geschichte unserer Kirche sehen. Hier haben viele Menschen unserer Stadt ihre Sorgen und Freuden vor Gott gebracht und dabei Mut zum Leben gefunden. Das geschieht auch heute.

"Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, wo deine Ehre wohnt."  (Psalm 28, 6).

Es grüßt Sie freundlich im Namen des Gemeindekirchenrates Seyda:

Ihr Thomas Meinhof, zur Zeit Pfarrer in Seyda

 

7. Mai 2021