PREDIGT

Hes 34 + 3 + MisDom 2021 + N, S, Z, Ge, R

 

Liebe Gemeinde:

Es gibt Filme mit Altersbeschränkungen, und man muss sich überlegen, ob man sich das antut, so einen Gewaltstreifen etwa noch kurz vor dem Einschlafen; die Bilder bleiben im Kopf und können - und sollen ja wohl auch - einen in Angst und Schrecken versetzen; deshalb die Altersbeschränkungen.

Das Bibelbuch, wo unser Predigttext heute drin steht, hatte im alten Gottesvolk auch diese Altersbeschränkung:  Und zwar bis zum 30. Lebensjahr, da sollte man das nicht allein lesen und vor allem nicht öffentlich darüber reden können.

 

((Man weiß ja nicht das genaue Geburtsjahr von Jesus – damals gab es ja keine Standesämter – und so haben die Leute, die sich da zuerst Gedanken machten, sogar darauf zurückgegriffen, dass sie gesagt haben: Er hat auch über Hesekiel gesprochen, also war er mindestens 30 Jahre alt.))

 

Es ist ein drastisches Buch, denn dem Hesekiel ist ganz Schlimmes passiert: Er war der Sohn eines Priesters in Jerusalem, und im Jahre 797 kamen die babylonischen Truppen, eine mächtige, brutale Militärmaschine, und eroberten das Land und schleppten die Oberschicht weg: Und Hesekiel gehörte dazu; er wurde also herausgerissen aus seiner vertrauten Umgebung und war nun in der Gefangenschaft ganz weit weg von zu Hause.

Keiner hatte das für möglich gehalten, dass das mal kommen könnte: So eine Katastrophe, und anhaltend! 5 Jahre schon, als es den Hesekiel trifft und sich der Himmel für ihn öffnet und er Gottes Wort hört:

Und das ist eine ganz drastische Botschaft der Zerstörung eben,

dass Gottes Recht gilt und die Leute es gebrochen haben und das diese Folgen hat;

Eine Begründung gewissermaßen: Es ist nicht einfach so über uns gekommen, sondern  unser Gott hat seine Hand im Spiel – und es  ist der Gott, der nach Gerechtigkeit fragt:

Und die war und ist eben nicht da.

 

Das Volk hat sich verführen lassen von vielen Führern – „Hirten“ eben, das war damals der Titel auch für die politischen und religiösen Führer des Volkes.

Darum geht es im 34. Kapitel:

 

„Des HERRN Wort geschah zu mir:

Du Menschenkind, weissage gegen die Hirten Israels,

weissage  und sprich zu ihnen:

So spricht Gott der HERR:

Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden!

Sollen die Hirten nicht die Herde weiden?

Aber Ihr esst das Fett und kleidet Euch mit der Wolle

und schlachtet das Gemästete,

aber die Schafe wollt Ihr nicht weiden.

Das Schwache stärkt Ihr nicht,

und das Kranke heilt Ihr nicht,

das Verwundete verbindet Ihr nicht,

das Verirrte holt Ihr nicht zurück,

und das Verlorene sucht Ihr nicht;

das Starke aber tretet Ihr nieder mit Gewalt.

Und meine Schafe sind zerstreut, weil sie keinen Hirten haben,

und sind allen wilden Tieren zum Fraß geworden

und  zerstreut.

Sie irren umher auf allen Bergen  und auf allen hohen Hügeln

und sind über das ganze Land zerstreut,

und niemand ist das, der nach ihnen fragt oder sie sucht.

Darum hört, Ihr Hirten, des HERRN Wort!

So wahr ich lebe, spricht Gott der HERR:

Weil meine Schafe zum Raub geworden sind

und meine Herde zum Fraß für alle wilden Tiere,

weil sie keinen Hirten hatten

und meine Hirten nach meiner Herde nicht fragten,

sondern die Hirten sich selbst weideten,

aber meine Schafe nicht weideten,

darum, Ihr Hirten, hört des HERRN Wort!

So spricht Gott, der HERR:

Siehe, ich will an die Hirten

und will meine Herde von ihren Händen fordern;

ich will ein Ende damit machen, dass sie Hirten sind,

und sie sollen sich nicht mehr selbst weiden.

Ich will meine Schafe erretten aus ihrem Rachen,

dass sie sie nicht mehr fressen sollen.

Denn so spricht der HERR:

Siehe, ich will mich meiner Herde selbst annehmen

und sie suchen.

Wie ein Hirte seine Schafe sucht,

wenn sie von seiner Herde verirrt sind,

so will ich meine Schafe suchen

und will sie erretten von allen Orten,

wohin sie zerstreut waren zur Zeit,

als es trüb und finster war.

Ich will sie aus den Völkern herausführen

und aus den Ländern sammeln

und will sie in ihr Land bringen

und will sie weiden auf den Bergen Israels,

in den Tälern und wo immer sie wohnen im Lande.

Ich will sie auf die beste Weide führen,

und auf den hohen Bergen in Israel

sollen ihre Auen sein;

da werden sie auf guten Auen lagern

und fette Weide haben auf den Bergen Israels.

Ich selbst will meine Schafe weiden,

und ich will sie lagern lassen, spricht Gott der HERR.

Ich will das Verlorene wieder suchen

Und das Verirrte zurückbringen

Und das Verwundete verbinden

Und das Schwache stärken

Und, was fett und stark ist, behüten;

Ich will sie weiden, wie es recht ist.

Ja, Ihr sollt meine Herde sein, die Herde meiner Weide,

und ich will Euer Gott sein, spricht Gott der HERR.“

 

Herr, tue meine Lippen auf, dass mein Mund Deinen Ruhm verkündige. Amen.

 

Liebe Gemeinde!

Wir sind auch in einer Ausnahmesituation, herausgerissen aus dem vertrauten Leben – und zwar schon ziemlich lange; und genau wie hier werden die „Hirten“ der Gesellschaft gefragt: Was tut Ihr?

Wenn sonst irgendwo ein Mensch umkommt im Land, ein Unglücksfall, dann wird das überall berichtet, und jetzt sind es jeden Tag ganz viele Tote, oft an einem Tag viel mehr, als in unseren Orten leben.

Und wir haben die Hirten vor Augen, die in dem allen nur an sich denken, an ihre Macht – die das sogar deutlich sagen: Es geht nicht um Vertrauen und Charaktereigenschaften, es geht um Macht - ; wir haben die Hirten vor Augen, die sich mitten drin selbst bereichern und noch Profit daraus schlagen.

Und das muss auch benannt werden, das ist unmöglich.

Wenn mir die Spielregeln nicht passen, kann ich nicht „herumsödern“ und sie zu meinen Gunsten ändern.

 

Einer fragte mich diese Woche aufgrund dieser Anklagen hier: „Aber was soll das bringen?“ Na, Umkehr natürlich. Deshalb steht es hier.

Und so habe ich es auch zuerst gehört – „Pastor“ heißt ja auf lateinisch auch „Hirte“: Als eine große Anklage und ein Aufrütteln: Was tue ich mit meiner  Zeit und meinen Möglichkeiten, bin ich da auf dem richtigen Weg:

„Das Schwache stärkt Ihr nicht,

und das Kranke heilt Ihr nicht,

das Verwundete verbindet Ihr nicht,

das Verirrte holt Ihr nicht zurück,

und das Verlorene sucht Ihr nicht;

das Starke aber tretet Ihr nieder mit Gewalt.“

 

Da habe ich gleich mal drei Besuche mehr gemacht.

Und doch wird das nicht reichen.

 

Wir haben alle Hirtenämter, zu leiten und zu behüten: In der Familie – im Beruf – auch als Wählerinnen und Wähler in der Demokratie.

 

Wenn man sich nun das ganze Kapitel des Hesekiel hier anschaut, dann kommen die Schafe allerdings auch noch vor.

Die wir alle ja auch sind: Als Staatsbürger, als Konsumenten, als Handy-Nutzer.

Google zum Beispiel und Amazon sind ja heute die großen Hirten, die ganz viele und auch uns leiten und führen, und durch die wir uns leiten lassen – und auch diese Hirten verdienen kritische Betrachtung, aber eben auch wir Schafe;

Da schreibt der Hesekiel hier,

dass Gott der Herr auch die Schafe anfragt:

Wo einer dem anderen die Weide wegnimmt und absichtlich zertrampelt oder das Wasser wegnimmt oder verunreinigt.

 

Das tut sehr weh, wenn man das heranlässt und hineinlässt, es stößt in die Wunden unseres Versagens.

Wie ein Lehrer, der in der Klassenarbeit die Fehler rot anstreicht,

oder ein Arzt, der seine Diagnose stellt:

Es ist nicht angenehm,

aber es ist wichtig, klar zu sehen

und sich nicht die Augen zuzuschmieren

-  und etwas daraus zu lernen und zu ändern!

 

Und der Hesekiel bleibt dran, der hört Gott weiter zu – und kann wohl auch nicht weghören, es kommt ja über ihn, auch diese ganz grausamen Bilder der Zerstörung. Aber er bleibt dran, und dann entdeckt er in diesem Wort des Allmächtigen

mitten in der schlimmen Lage, in der er steckt,

und die schonungslos dargestellt wird,

und die auch noch lange andauern wird:

Diesen Funken Hoffnung.

 

Dass wir Gott eben nicht egal sind.

Und dass er uns herausruft und uns Rettung schafft.

Ostern haben wir von Jesu ganz großer Rettungstat neu gehört:
Der die Sünde und den Tod besiegt.

 

Er ist der gute Hirte, der uns wieder auf grüne Aue führen wird  und eben auch hindurch durch das finstere Tal.

Der umgehen kann auch mit unseren bösen Taten und verwandeln kann.

Wir werden diese Pandemie nicht besiegen im Egoismus – wenn wir nur an uns denken, an unsere Leute, an unsere Macht, an unser Land.

Sondern im Weiter-Denken an den Nächsten, in tätiger Nächstenliebe – und  im Teilen auch mit den Ärmsten dieser Erde: Denn sonst wird dort die nächste Mutante ausgebrütet, die uns dann wieder trifft.

 

Dieser Herr ruft uns heraus: Immer wieder neu, mit großer Geduld und Liebe – mal mit ganz drastischen Worten – und manchmal eben auch ganz drastischen Dingen, die uns widerfahren – und mal mit sanften Worten.

 

Den Weg erkennen und gehen: Das ist oft nicht leicht, denn viele zerren an uns und wollen uns in andere Richtung treiben.

Martin Luther hat vor 500 Jahren ganz große Hirten-Kritik betrieben: Er hat Autoritäten in Frage gestellt, was sich vorher kaum jemand getraut hatte: Den Papst, selbst dem Kaiser hat er widersprochen.

Nicht um des Widerspruchs willen,

sondern weil er dem Wort dieses guten Hirten gefolgt ist und es über alles gestellt hat.

Das hat ihn frei gemacht – und froh und gewiss und mutig.

„Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir! Amen.“

 

Der Herr ist mein Hirte.

Mir wird nichts mangeln.

Amen.

 

Der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 

Lied: 112 Der schöne Ostertag!